Prüfzentren: Wie findet man zuverlässige Partner für klinische Prüfungen? Ein Interview

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Mit den „richtigen“ Prüfzentren Zeit und Geld sparen

  • Die Aktivitäten der Prüfzentren sind entscheidend für den Erfolg der klinischen Prüfung.

  • Die realistische Einschätzung der Anzahl an Patienten/Patientinnen ist ein Qualitätskriterium zur Auswahl von Prüfzentren.

  • Die regelmäßige Überprüfung der Rekrutierungsrate und gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Rekrutierung tragen dazu bei, klinische Prüfungen zielgerichtet durchzuführen.

Für die Durchführung von klinischen Prüfungen kommt es darauf an, Patientinnen/Patienten für die Teilnahme an einer Prüfung zu gewinnen. Dies geschieht durch Ärzte/Ärztinnen in Prüfzentren, die die Patienten aufklären, die Einwilligung einholen und die klinische Prüfung durchführen. Der Sponsor ist auf diese Zusammenarbeit mit den Prüfzentren angewiesen. Umso mehr Bedeutung hat die Auswahl der „richtigen“ Prüfzentren. Wir sprechen mit Dr. Andrea Röthler, Head of Project Management und Manager Regulatory Affairs Medical Devices der GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH über Ihre Erfahrung mit Prüfzentren und worauf Sponsoren achten sollten.

Cornelia Wolf (CW): Frau Dr. Röthler, warum ist die Auswahl der Prüfzentren für die Durchführung einer klinischen Prüfung so wichtig?

Andrea Röthler (AR): Die Durchführung einer klinischen Prüfung steht und fällt mit der Rekrutierung von Patienten/Patientinnen in den Prüfzentren. D. h. der Erfolg und die Dauer der klinischen Prüfung werden maßgeblich von den Aktivitäten in den Prüfzentren bestimmt. Wenn ein größerer Anteil an teilnehmenden Prüfzentren schlecht rekrutiert und gar keine oder wesentlich weniger Patienten/Patientinnen als ursprünglich geplant in die klinische Prüfung einschließt, kann das zu einer Verzögerung der Rekrutierungszeit führen. Dies wiederum kann bedeuten, dass sich die Durchführung der klinischen Prüfung verlängert und für das Unternehmen höhere Kosten entstehen, da durch korrektive Maßnahmen (z. B. Initiierung zusätzlicher Prüfzentren) die Rekrutierung angekurbelt werden muss. Jedes Prüfzentrum, das keine Patienten/Patientinnen rekrutiert, wird somit zu einem beträchtlichen Kostenfaktor in der klinischen Prüfung.

CW: Welche Kriterien sind bei der Auswahl eines Prüfzentrums entscheidend?

AR: Zuallererst kommt da die personelle und apparative Ausstattung des Prüfzentrums: Sind alle für die Durchführung erforderlichen Geräte und Materialien am Prüfzentrum vorhanden? Gibt es ausreichend personelle Ressourcen, um die klinische Prüfung vor Ort in der vorgesehenen Zeit durchzuführen? Ebenso wichtig ist die Frage, ob gleichzeitig konkurrierende Studien im Indikationsgebiet laufen. Denn in einem solchen Fall kann es durch bestimmte Faktoren, wie z. B. die Vergütung pro Patient/Patientin, zu einem Rekrutierungsbias kommen. D. h., dass nicht in ausreichendem Maß in die beauftragte Prüfung aufgenommen wird, sondern stattdessen in die höher vergütete Studie.

Aus meiner Erfahrung ist aber die realistische Einschätzung über die Zahl an Patienten/Patientinnen im Prüfzentrum eines der wichtigsten Auswahlkriterien. Je nach Indikationsgebiet und Studiendesign, kann es sein, dass bis zu 50 Prozent der Prüfzentren eine geringere Anzahl rekrutieren als versprochen und bis zu 30 Prozent überhaupt keine Patienten/Patientinnen rekrutieren. Meist erreichen wesentlich weniger Prüfzentren als gedacht das vereinbarte Ziel oder rekrutieren eine höhere Anzahl als vorgesehen. Als Folge daraus dauern mehr als 50 bis 70 Prozent der Studien länger als geplant. Und das hat Auswirkung auf die Kosten, vor allem im Hinblick auf die Zeit bis zum Markteintritt eines Produkts bzw. zur (Re-)Zertifizierung.

CW: Was empfehlen Sie Sponsoren?

AR: Bei der Auswahl von Prüfzentren im Vorfeld gut zu recherchieren und sich nicht nur auf die „gängigen“ Prüfzentren und die Aussagen über die Verfügbarkeit von geeigneten Patienten zu verlassen. Am Anfang steht die Frage: Wo sind die Patienten/Patientinnen im Indikationsgebiet zu finden? Diese kann z. B. mit einer Feasibility-Abfrage im Prüfzentrum beantwortet werden. Wenn dort ausreichend potenzielle Patienten/Patientinnen vorhanden sind, geht es ins Detail: Durch ein Vorab-Screening der Akten in Bezug auf Ein-und Ausschlusskritierien kann geprüft werden, ob die Einschätzung der Prüfzentren realistisch ist und die Anzahl an Patienten/Patientinnen auch im vorgesehenen Rekrutierungszeitraum erreicht werden können.

Ein Selektionsvisit im Zentrum kann daneben auch Aufschluss darüber geben, ob ausreichend personelle Kapazitäten und Patienten für die eigene Studie vorhanden sind, falls konkurrierende Studien am Zentrum durchgeführt werden. In dieser Vorbereitungsphase vorschnell oder oberflächlich vorzugehen, um Geld zu sparen, ist für den Sponsor nicht zielführend. Es zeigt sich nämlich erst während der Durchführung, ob ein Prüfzentrum auch wirklich Patienten/Patientinnen einschließt. Wenn dies nicht der Fall ist, muss überlegt werden, wie die Rekrutierung gesteigert werden kann. In vielen Fällen kann Geld ein Motivator für die Zentren sein. Häufig müssen aber zusätzliche Prüfzentren initiiert werden, um die gewünschte Anzahl zu erreichen.

Durch eine regelmäßige Analyse des Rekrutierungsstatus und engmaschige Überwachung der Durchführung am Zentrum (im Rahmen des Monitorings) kann gut erkannt werden, wo es hakt. Nur so kann frühzeitig reagiert und eingegriffen werden. Sponsoren sollten sich schon zu Beginn einer Studie eine Änderungsstrategie zurechtlegen, wie sie mit inaktiven Zentren verfahren. Hier ist die Empfehlung, diese eher zu schließen, wenn sie nicht rekrutieren, und neue Prüfzentren zu öffnen, die über das erforderliche Patientenkollektiv verfügen. Auch die Ausweitung in weitere Länder ist hier in Betracht zu ziehen.

Und last but not least: Es gibt Instrumente, mit denen Patientinnen/Patienten zum Zentrum gebracht werden können – durch eine dezentrale Patientenrekrutierung, z. B. in den sozialen Medien. Hier gibt es Möglichkeiten, die Sponsoren stärker als bisher nutzen sollten! Die Klinik oder die Praxis kann daraus zudem großen Nutzen ziehen: Sie erweitert ihr Klientel an Patienten/Patientinnen.

CW: Welche Herausforderungen erleben Sie in Prüfzentren?

AR: In Kliniken gibt es verschiedene Herausforderungen: Dazu gehören die Vertragsverhandlungen, die sich lange hinziehen können, wenn die juristische Abteilung der Klinik einbezogen wird, und zum anderen die personelle Situation an den Zentren. Die begrenzte zeitliche Verfügbarkeit von Studienpersonal UND der hohe Dokumentationsaufwand im Rahmen klinischer Prüfungen, stellen dabei die größten Herausforderungen dar. Ärzte/Ärztinnen haben im Klinikalltag nicht immer ausreichend Zeit, um geeignete Patienten/Patientinnen zu identifizieren, deren Einwilligung einzuholen und den Studienverlauf in den Dokumentationsbögen (CRFs) zu erfassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Arbeit in Studien nicht auf die Weiterbildung angerechnet wird und die Ärzte/Ärztinnen das meist neben und nach ihrer Kliniktätigkeit erledigen müssen. Kliniken mit eigenen Studienabteilungen haben hier sicherlich einen Vorteil. Sinnvoll wäre es auch, einen „Facharzt für Klinische Forschung“ in der ärztlichen Weiterbildung in Deutschland zu etablieren.

Ist der wissenschaftliche Impact, wie z. B. bei neuartigen Therapieverfahren, neuen Technologien hoch, sind die Herausforderungen meist leichter zu meistern, insbesondere wenn die Prüfärzte/Prüfärztinnen publizieren können. Bei Bestandsprodukten, die bereits lange im Markt etabliert sind, die aber für die Re-Zertifizierung noch klinische Daten aus klinischen Prüfungen nach dem Inverkehrbringen benötigen, ist eine solche Motivation der Prüfärzte/Prüfärztinnen häufig nicht gegeben, was Rekrutierung von Prüfzentren deutlich erschwert. Daher müssen in diesem Fall andere Faktoren genutzt werden, z. B. die Vergütung pro Patient/Patientin.

CW: Welche Unterstützung können Prüfzentren von einem Auftragsforschungsinstitut, einem sogenannten CRO erwarten?

AR: Sowohl bei der Studienvorbereitung als auch bei der Studiendurchführung können CROs die Prüfzentren unterstützen. In Vorbereitung auf den Studienstart am Prüfzentrum sorgen wir dafür, dass die erforderlichen Qualifikationsnachweise aller Prüfärztinnen und Prüfärzte und der Prüfzentren für die Einreichung bei der Ethik-Kommission vorliegen. Das Studienpersonal muss sowohl mit den Anforderungen der „Good clinical practice“ gemäß DIN EN ISO 14155 vertraut sein, als auch mit den Anforderungen der MDR und des MPDG und dies durch die entsprechenden Schulungen nachweisen können.

Im Rahmen der Initiierungsbesuche weisen wir die Prüfzentren durch unsere Monitore, die die Zentren während der Studiendurchführung begleiten, in den Prüfplan und die sich daraus ergebenden Pflichten und Verantwortlichkeiten ein. Während der Studiendurchführung stehen wir als CRO den Zentren als fester Ansprechpartner über eine Studien-Hotline zur Verfügung, um Ad-hoc-Fragen z. B. zur Studiendurchführung, zum Patienteneinschluss, zur Handhabung der Prüfpräparate/-produkte oder zur Dokumentation direkt zu beantworten. Dieser enge Kontakt mit der CRO beeinflusst die Studiendurchführung durchaus positiv. Ebenso haben wir die Möglichkeit, Prüfzentren mit Personal bei der Dokumentation im CRF zu unterstützen, indem wir den Zentren „flying Study Nurses“ zur Verfügung stellen.

Auch ein regelmäßiges Monitoring zur Qualitätssicherung durch die Monitore der CRO ist ein wichtiges Instrument, um den Prüfzentren die Durchführung der Studie gemäß Studienprotokoll und der „good clinical practice“ zu erleichtern. Unsere Monitore prüfen nämlich nicht nur die Validität der dokumentierten Daten, sondern unterstützen die Prüfärzte/Prüfärztinnen bei der Dokumentation des Studienverlaufs in den essenziellen Studiendokumenten des Prüfarztordners und der Einhaltung der regulatorischen Anforderungen. Allerdings müssen sich CROs und Sponsoren da abgrenzen: Die Wahrung des (Patienten-) Datenschutzes ist zwingend! Hier gibt es aber Wege, wie Personal datenschutzkonform im Prüfzentrum unterstützen kann.

Durch eine regelmäßige Information der Prüfzentren über den Studienfortschritt, z. B. über einen Newsletter oder kurze „Web-basierte“ Prüfertreffen, haben wir als CRO die Möglichkeit, die Studie in den Prüfzentren präsent zu halten und immer wiederkehrende Fragen für alle zu thematisieren und die Patientenrekrutierung anzukurbeln. Manche Prüfzentren spornen Ranglisten über die Rekrutierung in Newslettern sogar an, intensiver nach Patienten/Patientinnen im eigenen Zentrum zu suchen.

Fazit

Der Auswahl und der laufenden Überprüfung der Prüfzentren kommen eine hohe Bedeutung für die erfolgreiche Durchführung einer klinischen Prüfung zu. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie CROs Prüfzentren unterstützen können, allerdings begrenzen äußere Faktoren, wie Verfügbarkeit von Personal im Prüfzentrum, die Effektivität dieser Möglichkeiten. Sponsoren können die Erfahrung der CROs bei der Auswahl und Betreuung von Prüfzentren nutzen, um die Ziele der klinischen Prüfung zu erreichen.

Erstveröffentlicht auf Medtec Online am 20.10.2021

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Picture: @A Stockphoto/AdobeStock.com

 

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