Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit – eine neue Datengrundlage fürs AMNOG Verfahren?

Paragraf mit Stethoskop

Von Sabine Ditz

Die Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), in Englisch claims data, sind ein wertvoller Schatz an Gesundheitsdaten, der mit dem Aufbau des Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) erstmals nutzbar gemacht wird. Seit dem 09.10.2025 ist das FDZ Gesundheit eröffnet und es können Forschungsanträge für die Nutzung der Daten gestellt werden. Dies ist ein weiterer bedeutender Schritt hin zu einer datengestützter Gesundheitsforschung. Das FDZ Gesundheit ist als Nachfolger des Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ebenfalls am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt. Seine grundlegenden Aufgaben und Pflichten sind im Sozialgesetzbuch (SGB) V verankert, wo darüber hinaus definiert wird, für welche Forschungszwecke die Daten genutzt werden dürfen. Dies schließt auch die Nutzenbewertung von Arzneimittel gemäß des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) ein.

Rechtlicher Hintergrund

Mit Inkrafttreten des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) am 26. März 2024 wurde der erste rechtliche Grundstein für den Aufbau des FDZ Gesundheit gelegt, zeitgleich erfolgten die dafür notwendige Anpassungen im SGB V. Im Februar 2025 wurden zusätzlich mit der Verordnung zur näheren Regelung von Verfahren nach dem Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Datentransparenzverordnung) konkretere Angaben u.a. zu den Dateninhalten, der Datenübermittlung und der Datenbereitstellung gemacht. Hier wird auch das Verfahren zur Pseudonymisierung und Verschlüsselung mittels der Vertrauensstelle – übernommen vom Robert-Koch-Institut – ausführlich beschrieben. Dies ist ein wichtiger Prozess, um einen ausreichenden Datenschutz der sensiblen Gesundheitsdaten zu gewährleisten.

Datenschutz

Der Datenschutz am FDZ Gesundheit basiert auf mehreren Säulen:

Pseudonymisierung und Anonymisierung

Die Pseudonymisierung der Daten wird von der Vertrauensstelle übernommen, diese stellt vor Übermittlung der Daten des GKV-Spitzenverbands an das FDZ Gesundheit ein periodenübergreifendes Pseudonym für die Patient*innen, so dass dem FDZ Gesundheit zu keinem Zeitpunkt eindeutig identifizierende Merkmale vorliegen, aber die Daten jeder versicherten Person über die kompletten vorliegenden Berichtszeiträume nachverfolgbar sind.

Öffentlich zugängliche Daten wie das Public Use File sind vollständig anonymisiert. Die Übertragung von Daten an Forschende erfolgt nur in aggregierter Form (Ergebnistabelle). Um eine Re-Identifikation zu vermeiden, müssen die einzelnen Ergebnismengen eine angemessene Größe aufweisen.

Sichere Verarbeitungsumgebung

Das FDZ Gesundheit stellt eine sichere Verarbeitungsumgebung für die Daten bereit. Dabei gibt es eine isolierte Zone, die nur für Mitarbeitende des FDZ Gesundheit zugänglich ist, und die Originaldaten der GKV Versicherten enthält. Forschende bekommen Zugang zu einer sogenannten integrierten Zone: hier kann an einer bereitgestellten Stichprobe, einem antragsspezifischen Datenzuschnitt, das Analyseskript getestet werden.

Zugangskontrollen und Protokollierung

Nur bestimmte Mitarbeitende des FDZ Gesundheit haben vollständigen Zugriff auf den isolierten Bereich, jeder Zugriff wird protokolliert. Forschende erhalten einen persönlichen Zugang zum virtuellen Analyseraum mit dem antragsspezifischen Datenzuschnitt, der Zugang ist pro Antrag auf zwei datenverarbeitende Personen beschränkt.

Regulation der Nutzungszwecke

Um Missbrauch der Daten auszuschließen sind die Nutzungszwecke in SGB V §303e streng reguliert. Außerdem gilt ein striktes Verbot der Nutzung für Marketingzwecke.

Abbildung 1: Datenfluss FDZ Gesundheit

Beschreibung der Datenmodelle

Aufgrund der verschiedenen Datengrundlagen, die unterschiedliche Detailgrade aufweisen, gibt es mehrere Datenmodelle. Datenmodell 1 und 2 sind identisch aufgebaut, sie beinhalten z. B. Daten über ambulante Arzneimittel, ambulante sowie stationäre Diagnosen und Leistungsausgaben in Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern etc. in dem Zeitraum von 2009 bis 2018. Dabei sind die Daten nur über das Pseudonym der*s Versicherten miteinander verknüpft.

Datenmodell 3 beinhaltet Daten von 2019 bis 2023, dieses Modell ist komplexer, wobei u.a. Diagnosen und Leistungen einzelnen Fällen zugeordnet werden. So ist bei Verordnungsdaten zusätzlich zu den Angaben zum verordneten Arzneimittel auch die Fachgruppe der verordnenden Person hinterlegt. Insgesamt lässt sich dadurch ein deutlich detailliertes Bild der einzelnen Fälle und Verordnungen zeichnen.

Eine Beschreibung des Datenmodells 4 liegt derzeit (Stand Oktober 2025) noch nicht vor. Die finalen Daten sollen ein Jahr nach Ende des Berichtjahres geliefert werden. Ab 2026 ist eine Übermittlung von vorläufigen Daten 13 Wochen nach Quartalsende geplant.

Zukünftig sollen auch Daten der elektronischen Patientenakte und Krebsregistern in Datenmodelle integriert werden.

Anwendung im Bereich AMNOG

Die Versorgungsrealität in Deutschland spielt bei der AMNOG-Nutzenbewertung eine tragende Rolle, vor allem bei der Bestimmung von Patientenzahlen, einer geeigneten zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) und der Therapiekosten. Sie stellen zentrale Punkte für die Strategieentwicklung eines Nutzendossiers dar und sind entscheidend für das Ergebnis der Nutzenbewertung durch den G-BA. Aber auch schon für die Studienplanung lassen sich wichtige Erkenntnisse sammeln, z.B. um einen geeigneten Komparator festzulegen oder die Einschlusskriterien der Studie möglichst versorgungsnah zu formulieren.

Außerhalb des FDZ Gesundheit sind nur Insellösungen verfügbar: die einzelnen Datenbanken unterscheiden sich stark in der Zugänglichkeit und den vorhandenen Daten. Die Daten sind zum Teil auf bestimmte Krankenkassen oder Regionen beschränkt, dies birgt ein großes Verzerrungspotential. Außerdem ist der Zugriff für pharmazeutische Unternehmer nicht immer möglich, wie z. B. bei der GePARD Datenbank, wo nur behördlich genehmigte Forschungsprojekte durchgeführt werden dürfen.

Durch die Daten des FDZ Gesundheit ist es erstmals möglich die Versorgungsrealität für GKV Patient*innen umfassend mit Real-World-Daten darzustellen und zu quantifizieren. Eine genaue Beschreibung der Zielpopulation ggf. inklusive relevanter Teilpopulationen kann auf Basis von Diagnosedaten erfolgen. Mittels Verordnungsdaten könnte überprüft werden, ob die im Dossier festgelegte zVT die Therapiesituation auch im klinischen Alltag widerspiegelt und wie die tatsächliche Therapiedauer bzw. der tatsächliche Arzneimittelverbrauch aussieht. Zusätzlich können die real entstandenen Kosten der Krankheit dargestellt werden, was besonders bei einer individualisierten Therapie erstmalig eine realistische Abschätzung der Kosten ermöglicht.

Ablauf der Datennutzung beim FDZ Gesundheit

Bevor die Antragsstellung für ein Forschungsprojekt beim FDZ Gesundheit erfolgen kann, muss die entsprechende Institution durch eine beauftragte Person registriert werden. Danach können weitere Nutzende angelegt werden, denen verschiedene Rollen zugeteilt werden können, wie z. B. antragstellende oder datennutzende Personen. Im digitalen Antragsformular müssen anschließend umfangreiche Angaben zum geplanten Forschungsprojekt gemacht werden. Nach der inhaltlichen Prüfung und Freigabe des Antrags durch das FDZ Gesundheit wird ein antragsspezifischer Analyseraum eingerichtet. Hier können die Forschenden das Analyseskript erstellen und auf Lauffähigkeit prüfen. Wenn eine positive Lauffähigkeitsprüfung vorliegt, können Zwischenergebnisse bzw. die Ergebnismenge beantragt werden. Die Ergebnismenge wird nach Prüfung durch das FDZ Gesundheit der antragstellenden Person in Form von aggregierten Tabellen zur Verfügung gestellt.

Abbildung 2: Ablauf der Datennutzung beim FDZ Gesundheit

Limitationen

Die Daten des FDZ Gesundheit schließen nur gesetzlich Versicherte ein, d.h. über privat Versicherte können keinerlei Aussagen gemacht werden. Außerdem handelt es sich bei den von den Krankenkassen übertragenen Daten um Abrechnungsdaten, deren Analyse besondere Herausforderungen birgt. Der Detailgrad von klinischen Informationen ist sehr begrenzt, so kann z. B. die Durchführung eines Bluttests abgebildet werden, aber nicht das Ergebnis. Bei stationären Aufenthalten ist es nicht immer möglich die gegebene Medikation anhand der Abrechnungsdaten vollständig nachzuvollziehen. Diese Datenlücken müssen bei der Planung, Analyse und Interpretation der Daten berücksichtigt werden. Außerdem bleibt abzuwarten, inwieweit sich zeitliche Verzögerungen und lange Wartezeiten gerade für pharmazeutische Unternehmer, deren Anträge vom FDZ Gesundheit vermutlich aufgrund der Priorisierungsmatrix nachrangig behandelt werden, entwickeln.

Fazit

Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit bringt Deutschland einen großen Schritt voran: weg von Insellösungen, hin zu einer modernen und sicheren Dateninfrastruktur. Gerade im Bereich AMNOG bietet das FDZ Gesundheit ein großes Potenzial bezüglich realistischer Versorgungsdaten, z.B. für die Studienplanung aber auch die Abschätzung von Patientenzahlen und Therapiekosten.

Quellen

Bundesministerium für Gesundheit (2024): Bundesgesetzblatt Teil I 2024 Nr. 102 Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten. Online verfügbar unter https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/102/VO.html, zuletzt aktualisiert am 22.03.2024, zuletzt geprüft am 22.10.2025.

Bundesministerium für Gesundheit (2025): Bundesgesetzblatt Teil I 2025 Nr. 27 Verordnung zur näheren Regelung von Verfahren nach dem Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten. Online verfügbar unter https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2025/27/VO.html, zuletzt aktualisiert am 29.01.2025, zuletzt geprüft am 22.10.2025.

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2025): Datensatzbeschreibung FDZ Gesundheit. Online verfügbar unter https://fdz-gesundheit.github.io/datensatzbeschreibung_fdz_gesundheit/, zuletzt aktualisiert am 14.08.2025, zuletzt geprüft am 22.10.2025

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2025): Das Antragsportal des Forschungsdatenzentrums Gesundheit Nutzerhandbuch für Forschende, Version 01-00-000. Online verfügbar unter https://www.forschungsdatenzentrum-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/dokumente/FDZ_Nutzerhandbuch_fuer_Forschende.pdf, zuletzt geprüft am 22.10.2025

Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS (2025): Die pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank (GePaRD). Online verfügbar unter https://www.bips-institut.de/forschung/forschungsinfrastrukturen/gepard.html, zuletzt geprüft am 22.10.2025

 

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