DIN EN ISO 14155:2021-05 – Der neue Standard zur Guten klinischen Praxis für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten

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Welche Neuerungen sich durch die Überarbeitung der DIN EN ISO 14155 ergeben und auf welche zusätzlichen Aufgaben müssen sich Sponsoren gefasst machen sollten.

  • Mit der neuen DIN EN ISO 14155:2021:05 wurden Standards zur Guten Klinischen Praxis deutlich angehoben und die Anwendbarkeit der Norm auf Klinische Prüfungen nach Inverkehrbringen ausgeweitet.

  • Die Norm sieht weitergehende qualitätssichernde Maßnahmen wie z. B. vom Sponsor durchzuführende Audits vor, um die Datenqualität und -integrität zu sichern.

  • Die Norm fordert zudem vom Sponsor ein aktives klinisches Risikomanagement neben dem generellen Risikomanagement auf Produktebene.

Rechtzeitig zum Inkrafttreten der Medizinprodukte-Verordnung (VO-EU 2017/745, MDR) am 26. Mai 2021 ist nun auch die überarbeitete Version der DIN EN ISO 14155:2012 verfügbar. Diese deutsche Fassung legt, basierend auf der internationalen Norm der ISO 14155:2020-07, die Leitlinien zur Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten fest.

Goldstandard für die Gute Klinische Praxis

Der in der DIN EN ISO 14155:2021-05 beschriebene „Goldstandard“ für die Gute Klinische Praxis gibt die Anforderungen vor, die in Bezug auf das Design, die Durchführung, die Dokumentation und die Berichterstattung im Rahmen einer klinischen Prüfung von Medizinprodukten in Deutschland einzuhalten sind.

Die Einhaltung dieses Standards ist deshalb so wichtig, weil in einer klinischen Prüfung klinische Daten generiert werden, die im Rahmen der klinischen Bewertung dazu dienen, die klinische Evidenz im Hinblick auf klinische Leistungsfähigkeit, Sicherheit und klinischen Nutzen der Medizinprodukte zu belegen. Dies ist sowohl im Rahmen der initialen Konformitätsbewertung als auch im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung nach Inverkehrbringen von großer Bedeutung.

Durch die Einhaltung dieser fest etablierten internationalen Leitlinie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse von in der Europäischen Union durchgeführten klinischen Prüfungen auch außerhalb der Europäischen Union zum Nachweis der Konformität leichter anerkannt werden. Dies gilt ebenso für den umgekehrten Fall, wenn eine klinische Prüfung außerhalb der EU durchgeführt wird und diesem Standard folgt.

Ergänzende Vorgaben durch die DIN EN ISO 14155:2021-05

Neben einigen wesentlichen Neuerungen, die im Anschluss näher thematisiert werden, enthält die Norm allgemeine Vorgaben und Leitlinien wie,

  • die wesentlichen Grundsätze zur Guten Klinischen Praxis (siehe Abschnitt 4),

  • einen Leitfaden für die Ethik-Kommissionen (siehe Anhang G), in dem deren Verantwortlichkeiten, Funktionen und Aufgaben in Bezug auf die Bewertung beschrieben werden und der in Ergänzung zu den nationalen Vorschriften von den Ethik-Kommissionen mitberücksichtigt werden sollte, sowie

  • die Vorgabe, klinische Prüfungen in einer öffentlich-rechtlichen Datenbank, wie zum Beispiel in der internationalen Datenbank von ClinTrials.gov oder dem Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS), zu registrieren (Kapitel 5.4).

Wesentliche inhaltliche Neuerungen

Die neueste Fassung der DIN EN ISO 14155:2021-05 ist umfangreicher als die bisher gültige Version von 2012. Dies liegt unter anderem daran, dass die Anzahl der Anhänge von ehemals sieben auf zehn ausgeweitet wurde. Die wesentlichen neuen Inhalte und Anforderungen der DIN EN ISO 14155:2021-05 für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten sind im Folgenden kurz zusammengefasst dargestellt. Die bestehenden Anhänge
  • A – Klinischer Prüfplan,

  • B – Handbuch des klinischen Prüfers und

  • D – Klinischer Prüfbericht

sind nun „normativ“ ausgestaltet und stellen somit verbindlich einzuhaltende Anforderungen dar. Allerdings sind die Inhalte dieser normativen Anhänge mit den Vorgaben in der MDR abzugleichen, die diese Dokumente ebenfalls regelt und deren Vorgaben über den Vorgaben in der DIN EN ISO 14155:2020-05 stehen. Durch die neuen Anhänge in der DIN Norm

  • H – Anwendung von ISO 14971 auf klinische Prüfungen,

  • I – Stadien der klinischen Entwicklung und

  • J – Audits von klinischen Prüfungen

wird einerseits die Anwendung der Norm stark ausgeweitet und andererseits werden im Hinblick auf das klinische Qualitätsmanagement neue zusätzliche Anforderungen an Sponsoren gestellt, das in die entsprechenden Teilbereiche des allgemeinen Qualitätsmanagementsystems des Sponsors zu integrieren ist.

Anwendbarkeit der Norm auf die unterschiedlichen Entwicklungsstadien

Durch die DIN EN ISO 14155:2021-05 sind die Grundsätze zur Guten Klinischen Praxis (auch Good Clinical Practice, GCP) nicht nur auf klinische Prüfungen, die vor dem erstmaligen Inverkehrbringen durchgeführt werden, anzuwenden, sondern auch auf klinische Prüfungen nach dem Inverkehrbringen im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung. Zu diesen gehören neben den über die MDR regulierten klinischen Prüfungen nach dem Inverkehrbringen mit zusätzlich invasiven und belastenden Untersuchungen (gemäß MDR Artikel 74 Abs. 1) auch die klinischen Beobachtungsstudien oder Register-Studien (siehe Anhang I DIN EN ISO 14155:2021-05, Tabelle I1) ohne zusätzlich invasive oder belastende Untersuchungen.

Anwendung der GCP-Grundsätze bei verschiedenen Studientypen

Allerdings sind die GCP-Grundsätze je nach Entwicklungsstadium (vor CE oder nach CE), Art und Design der klinischen Prüfung entweder ganz oder teilweise bei diesen Studien anzuwenden (gemäß DIN EN ISO 14155:2021-05 Anhang I7):

  • Für explorative oder konfirmatorische klinische Prüfungen vor dem Inverkehrbringen, z. B. Machbarkeitsstudien sind die GCP-Grundsätze der DIN EN ISO 14155:2021-05 vollumfänglich umzusetzen, mit der Ausnahme, dass für explorative klinische Prüfungen keine vorgegebene statistische Hypothese erforderlich ist

  • Bei konfirmatorischen klinischen Prüfungen nach dem Inverkehrbringen (gemäß MDR Art. 74 Abs. 1) sind die GCP-Grundsätze mit wenigen Ausnahmen anwendbar. Hier entfällt die Kennzeichnungspflicht der Produkte mit dem Hinweis „nur für klinische Prüfungen“ bzw. kann anstelle des Handbuchs des klinischen Prüfers die Gebrauchsinformation verwendet werden, in der die notwendigen Informationen zur Verwendung des Medizinprodukts im Rahmen seiner Zweckbestimmung enthalten sind.

  • Für beobachtende klinische Prüfungen oder Register-Studien nach dem Inverkehrbringen ist die Norm nur eingeschränkt anwendbar (siehe DIN EN ISO 14155:2021-05 Anhang I.7), und auch die Maßnahmen zur Qualitätssicherung sollten entsprechend dieser Art von Studien angepasst werden (z. B. in Form eines stichprobenartigen Monitorings zur Qualitätssicherung).

Durchführung klinischer Audits als qualitätssichernde Maßnahme

Durch die Vorgabe, über interne und externe Audits die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorschriften und der GCP-Grundsätze und die Durchführung der klinischen Prüfung gemäß klinischem Prüfplan sicherzustellen, werden Sponsoren angehalten, qualitätssichernde Maßnahmen durchzuführen. Das Auditieren klinischer Prüfsysteme und -prozesse muss im einem Plan festgelegt werden, der die Häufigkeit und die Art der Audits beschreibt. Alle Audits sind in Übereinstimmung mit etablierten Verfahren durchzuführen. Hierbei sind das Vorgehen bei Audits sowie die Form und der Inhalt von Auditberichten und Audit-Zertifikaten vorgegeben. Die DIN Norm spezifiziert in Anhang J im Detail die Bereiche, die im Rahmen einer klinischen Prüfung zu auditieren sind, wie beispielsweise die Prüfstellen oder das firmeninterne klinische Qualitätsmanagementsystem.

Risikobewertung der klinischen Prüfung und risikobasiertes Monitoring

Gemäß den Vorgaben in der MDR

  • ist während einer klinischen Prüfung zu überwachen, dass der erwartete Nutzen für die Prüfungsteilnehmer die vorhersehbaren Risiken und Nachteile rechtfertigt (MDR Art. 62 Abs. 4e) und

  • die Risikoschwelle und das Ausmaß der Belastungen für die Prüfungsteilnehmer ständig zu überprüfen (MDR Art. 62 Abs. 4i).

Damit ist die Risikobewertung nicht mehr nur auf die Produkte selbst beschränkt, sondern wird auf die klinische Prüfung selbst ausgeweitet. Die Sicherheit und Belastungen der Prüfungsteilnehmer innerhalb der klinischen Prüfung werden in diese Überprüfung miteinbezogen.

Während sich die Vorgängerversion der ISO 14155 hauptsächlich auf die Risikobewertung im Zusammenhang mit dem Prüfprodukt bezogen hat, nimmt die neue Version der ISO 14155 nun zusätzlich auf das klinische Risikomanagement Bezug (siehe DIN EN ISO 14155:2021-05 Kapitel 6.2 und Anhang H).

Die DIN EN ISO 14155:2021-05 wird dadurch dem starken Fokus der MDR auf das Risikomanagement gerecht. Die Norm fordert die Sponsoren dementsprechend auf, für alle Phasen der klinischen Prüfung – von der Planung bis hin zum klinischen Prüfbericht – die Risikomanagementprinzipien der ISO 14971 anzuwenden. Der Sponsor muss Risiken in Bezug auf die Durchführung der klinischen Prüfung ermitteln, bewerten und kontrollieren, um die Zuverlässigkeit der erfassten klinischen Daten, die wissenschaftlich korrekte Durchführung der klinischen Prüfung und die Sicherheit der Prüfungsteilnehmer gewährleisten zu können.

Der Umfang und die Art der Überprüfung, ob die klinische Prüfung an den Prüfzentren gemäß dem klinischen Prüfplan durchgeführt wird und die Daten korrekt erhoben werden, ist durch einen entsprechenden Monitoring-Plan festzulegen. Dieser ist risikobasiert auf Grundlage der Ergebnisse der Risikobewertung zu erstellen und muss sich am Design, an der Komplexität, der Größe, den kritischen Datenpunkten und Endpunkten der klinischen Prüfung orientieren.

Fazit

Mit der neuen DIN EN ISO 14155:2021-05 wird der neue Standard zur Guten Klinischen Praxis implementiert und damit die Anforderungen nun endgültig an den Standard von Arzneimittelprüfungen angeglichen. Neben Audits zur Qualitätssicherung ist nun auch ein klinisches Risikomanagement im Rahmen klinischer Prüfungen mit Medizinprodukten zu etablieren, basierend auf den Grundsätzen nach ISO 14971.

Allen Sponsoren von klinischen Prüfungen ist deshalb anzuraten, sich mit den neuen zusätzlichen Vorgaben der Norm vertraut zu machen und diese in ihre bereits bestehenden Prozesse zur klinischen Prüfung zu integrieren, um dem „State of the Art“ für klinische Prüfungen zu entsprechen.

Sponsoren, die ihre laufenden klinischen Prüfungen noch an der Vorgängerversion der ISO 14155 ausgerichtet haben, können getrost diesen Standard bei ihrer laufenden klinischen Prüfung fortsetzen, da auch darüber die Sicherheit und Datenintegrität gewährleistet wird.

Erstveröffentlicht auf Medtec Online am 11.06.2021

Picture: @hui_u/AdobeStock.com

 

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